„Ja, genau so war das damals!“ Mit anhaltendem, begeistertem Beifall – und Tränen der Rührung dankte das Publikum am Freitagabend in der voll besetzten Christuskirche in Bochum-Gerthe den jungen Akteuren für ihre Leistung bei der Aufführung des Theaterstückes „Viele Grüße Ingrid!“. Am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, hatte das junge Ensemble von der Erich-Fried-Gesamtschule Herne sein viel beachtetes „Stück gegen den Krieg für Menschen ab 13“ noch einmal auf die Bühne gebracht.
Musikalisch gestaltet wurde die Inszenierung vom Zeitgeist-Ensemble Ruhr. Hintergrund der 90-minütigen Inszenierung ist eine wahre Geschichte aus der Bergarbeitersiedlung in Bochum-Gerthe, kaum 1000 Schritte vom Ort der Aufführung entfernt. Der Autor, Lehrer und Theaterpädagoge Ulrich Kind hat aus einem Abschnitt seiner eigenen Familiengeschichte eine szenische Collage geschaffen, die von den 14- bis 17jährigen Jugendlichen beklemmend aktuell auf die Bühne gebracht wurde. Zum Inhalt: Ingrid, Marianne und Lotti sind ganz normale Jugendliche im Jahr 1943. Ihre Träume, Hoffnungen und Ängste kreisen um Jungs, die Hitlerjugend, Poesiealben, Kinderlandverschickung und den letzten Luftangriff auf ihre Heimatstadt. Ihre männlichen Altersgenossen bereiten sich auf den Einsatz an der Front vor.
Das Dritte Reich mobilisiert seine letzten Reserven. Kinder bedienen die Flak-Geschütze und räumen Leichen weg. Die Blickrichtung wechselt: Britische Soldaten schildern ihre Erinnerungen als Mitglieder der Bomber-Besatzungen vom 29. März 1943 und eines Kriegsschiffes. Auch sie sind jung. Sie sehen ihre Kameraden sterben. Beide kommen knapp mit dem Leben davon. „We meet again“, einen englischen Schlager aus den 40er Jahren, mit dem die Flieger einst in ihre Einsätze zogen, singt das Zeitgeist-Ensemble Ruhr und macht damit deutlich: Im Krieg sind alle Opfer.
Am Ende steht Lotti allein auf der Bühne. Sie kommt von der Beerdigung ihrer Freundinnen. Eine unentdeckte Blindgängerbombe an der Hiltroper Landwehr ist plötzlich detoniert und hat die 13-jährige Ingrid und ihre gleichaltrige Freundin Marianne aus dem Leben gerissen. „Ja, die Fahne ist mehr als der Tod“, singt Lotti im düsteren Moll und schleudert die HJ-Standarte weinend zu Boden. Beklemmende Stille, danach tosender Beifall für eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung.
Noch lange danach standen Menschen im Gespräch zusammen, unter ihnen einige hochbetagte Zeitzeugen. „Ich hab‘ die Mädchen ja selbst gekannt und noch wenige Minuten vor ihrem Tod gesehen“, erzählt eine Frau den Jugendlichen. Sie war damals jünger als die beiden und träumte seinerzeit davon, „endlich auch Halstuch und Knoten des BDM tragen zu dürfen“. Bis zu jener Minute am Abend des 3. April 1943.
Zitat aus der Begrüßungsansprache von Pfarrer Johannes Romann
„Wir werden heute Dinge hören und erleben, die uns erstaunen, erschrecken und die uns mitnehmen auf eine Zeitreise. Es ist ein Stück gegen den Krieg und gegen all das, was menschliche Verführung auszumachen vermag. Nicht nur damals, sondern bis in heutige Zeiten. Wir alle tragen Mitverantwortung für die Generationen, die folgen und wollen ein Stück unseren Beitrag dazu leisten.“